Fokus auf die Bildkomposition
Die Gestaltung muss sich bei Sportfotos oft der Aktualität unterordnen. Aber nicht immer, wie Olaf Franke in diesem Tipp erklärt.
Sportfotografie ist oft kein Zuckerschlecken: Als Sportfotograf sitzt man bei Wind und Wetter am Spielfeldrand, meist auf einem kleinen Dreibein-Hocker, mit einer Ausrüstung im Wert von mehreren 10.000 Euro. Immer wieder mal wird man „bedroht“ von Bengalos schwenkenden oder Leuchtraketen startenden „Ultras“. Der eigene Aktionsradius wird durch den Schwenkbereich der Fernsehkameras eingeschränkt. Und man befindet man sich im ständigen Wettstreit mit seinen Kollegen (und den wenigen Kolleginnen) um die besten Fotoposition.
Und die Bildkomposition? Die besteht meist „nur“ darin, eine kommende Aktion und deren Ort vorauszuahnen, um rechtzeitig dabei zu sein. Wenn nicht, ist der Sieg bringende Torschuss verfehlt, der Jubel verpasst oder der Wutausbruch des Trainers nicht im Kasten – und der „Ausflug“ ins Station war vergebens.
Ganz selten bietet sich als Sportfotograf die Gelegenheit, ein Wunschbild zu "komponieren". Eines davon konnte ich im August 2019 von meiner Wunschliste streichen.
Die ausgewählten „Zutaten“: Das Olympiastadion Berlin, Leichtathletik, Laufwettbewerb, die blaue Laufbahn als Bildhintergrund, dazu ein harter Schattenwurf durch eine tief stehende Sonne und im Idealfall der Sportler oder die Sportlerin komplett in der Luft, abgetrennt vom Schatten.
Für ein solches Bild müssen viele Umstände gleichzeitig passen: Natürlich muss zunächst einmal ein Laufwettbewerb stattfinden. Im Olympiastation ist das „normalerweise“ beim Internationalen Stadionfest (ISTAF) im Oktober der Fall. Im vergangenen Jahr bot sich eine zusätzliche Gelegenheit, und zwar im Rahmen von "Die Finals", eine erstmals in Berlin ausgetragene Rahmenveranstaltung für die Vergabe der Deutschen Meisterschaftstitel in zehn unterschiedlichen Sportarten.
Um einen der wichtigen Parameter zu erfüllen – der Hintergrund des Bildes sollte nur aus der blauen Laufbahn bestehen – war eine hohe Aufnahmeposition notwendig. Die üblicherweise bei der Sportfotografie angestrebte Position „auf Augenhöhe“ mit dem Geschehen, würde hier nicht zum gewünschten Ergebnis führen. Also hoch auf den Oberring des Olympiastadions! Mit einer Sondererlaubnis des Veranstalters war es möglich, diesen für alle anderen Fotografen gesperrten Bereich exklusiv zu betreten.
Dann musste die Uhrzeit passen. Denn nur wenn die Sonne so steht, dass ihr Licht direkt durch das Marathon-Tor in Stadion fällt, gibt es den erwünschten Schattenwurf. Gegen 16 Uhr waren die Beleuchtungsbedingungen ideal und die Haufenwolken am Himmel gaben die Sonne frei.
Weiterhin musste die Aufnahmeposition im Scheitelpunkt der Ostkurve liegen, um einen parallelen Verlauf der Bahnmarkierungen zu erreichen. Glücklicherweise fanden zur optimalen Uhrzeit zwei 400-Meter-Vorläufe statt, also genau zwei Chancen. Denn zum Finale wird die Sonne weiter gewandert sein.
Equipment: Canon EOS-1D X Mark II mit dem EF 200-400mm F4L IS USM Extender 1.4x
Belichtungsparameter: 1/1.600s, Blende 5.6 und ISO 800. Und dann mit maximaler Serienbildgeschwindigkeit die Läuferin verfolgt.
Blieb nur noch eine geringe Nachbearbeitung der JPEG-Bilddateien in Adobe Photoshop Lightroom: Geringfügiger Bildzuschnitt, leichte Erhöhung des Kontrasts, Verringerung der Lichter und – ausnahmsweise, um die "künstlerische" Wirkung des Bildes zu verstärken und den Blick des Betrachters noch stärker zu lenken – das Einfügen einer künstlichen Vignette.
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